"Das kommunale Infrastruktur-Management wird immer anspruchsvoller" / Interview mit Loris Detti

Loris Detti ist Leiter Infrastruktur Stratus bei Basler & Hofmann. Seit mehr als 15 Jahren berät er Infrastrukturverantwortliche in Kantonen, Städten und Gemeinden beim Werterhalt ihrer Infrastrukturen. Als Experte für «Stratus Infra», der Softwarelösung für den Unterhalt und das strategische Management von Strassen, Werkleitungen und Kunstbauten von Basler & Hofmann, begleitet er Fachpersonen und politische Entscheidungsinstanzen von der Zustandserhebung bis zur strategischen Finanzplanung. Durch seinen datengestützten ganzheitlichen Beratungsansatz hat er bis heute zahlreiche Gemeinden dabei geholfen, Investitionsentscheide in den Ausbau und Werterhalt von Strassen, Werkleitungen und Kunstbauten auf eine sichere Informationsbasis zu stellen.

Herr Detti, mit unserem Dienstleistungs- und Beratungsangebot «Stratus Infra» bieten wir unseren Kunden den Zugang zum führenden Planungswerkzeug für öffentliche Infrastrukturen. Wie unterstützen Sie Infrastrukturverantwortliche bei ihren Aufgaben?

Loris Detti: Die Infrastruktur einer Gemeinde besteht aus verschiedensten Bauwerken, also Strassen, Werkleitungen, aber auch Kunstbauten aller Art wie Brücken, Tunnels, Stützmauern, Unterführungen oder Bachdurchlässe. Je nach Art und Nutzung altern diese Infrastrukturen unterschiedlich schnell und müssen unterhalten werden. Um zu verstehen, welche Erhaltungsmassnahmen notwendig sind, müssen die Verantwortlichen in Tiefbauämtern und Werkabteilungen über den jeweiligen Zustand der Bauwerke im Bilde sein. Das reicht aber nicht. Die Eigentümer müssen zudem wissen, wann diese Massnahmen anstehen und welche Abhängigkeiten zwischen den Instandhaltungsmassnahmen bestehen. Zusätzlich brauchen die Infrastrukturverantwortlichen Informationen über die Kosten, die mit den Erhaltungsmassnahmen verbunden sind. Alle diese Informationen stellt Stratus bereit. Die Software liefert damit wichtige Grundlagen, um sämtliche Massnahmen an der Infrastruktur vorausschauend und koordiniert zu planen.

 

Wie bewertet Stratus den aktuellen Zustand und wie lässt sich daraus der langfristige Investitionsbedarf von Infrastrukturen bestimmen?

Hinter den Auswertungen von Stratus steht eine Datenbank von Kostenkennwerten für die unterschiedlichsten Objekttypen, wie zum Beispiel Strassen, Kanalisation, Wasserleitungen und oder Betonbrücken sowie den darin verbauten Bauteilen. Die Kostenkennwerte basieren auf unserem Infrastrukturwissen, welches wir bei Basler & Hofmann über viele Jahre aufgebaut, in die Software eingebunden und präzisiert haben. Auf Basis dieses Erfahrungsschatzes kann Stratus für jeden der vorgenannten Objekttypen festlegen, welchen Anteil ein bestimmtes Bauteil am Erstellungswert hat. Für jedes dieser Bauteil ist in Stratus zudem eine Alterungskurve hinterlegt, mit der die Software den Alterungsprozess simulieren kann. Der optimale Instandsetzungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, zu dem das Verhältnis von Instandsetzungskosten zur Nutzungsdauer möglichst gering ist. Oder anders gesagt, der Zeitpunkt an dem mit einem möglichst kleinen Investment eine möglichst lange Nutzungsdauer bewerkstelligt werden kann. Aus den Anteilen der Bauteile am Erstellungswert eines Objektes und ihrem alterungsbedingten Wertverlust berechnet Stratus den aktuellen Zustandswert des gesamten Bauwerks sowie den Investitionsbedarf und idealen Instandsetzungszeitpunkt. Den Wertverlust über die Zeit für die gesamte Infrastruktur zu kennen, ist für die öffentliche Hand sehr wichtig.

 

Auf welche Datenbasis und auf welche Methoden stützt sich Stratus bei der Erfassung und Bewertung?

Bei der Zustandserfassung fahren wir buchstäblich die gesamte Infrastruktur ab und begutachten diese fachmännisch. Schadhafte Stellen werden fotografisch dokumentiert. Standardmässig erfolgt die Zustandserhebung bei den Strassen nach der Schweizer Norm VSS 60 925B. Bei Strassen werden neben den Strassenschäden auch die Verkehrslastklasse, Belagsart usw. erfasst. Der heutige Zustand sowie der aktuelle und künftige Investitionsbedarf werden schliesslich nach Stratus-Methodik ermittelt. Dafür gliedern wir ein Objekt in maximal 20 Bauteile, um jedes einzelne Bauteil als eigenständiges Instandsetzungspaket betrachten zu können. Für jedes Bauteil wird dann eine Altersentwertung definiert; damit bekommt jedes Bauteil ein fiktives Alter. Mit diesen Informationen kann unser Rechenmodell feststellen, wann eine Instandsetzung fällig ist und wie hoch die Investitionen sein werden.

 

Die Software zur Datenaufnahme ist ein Werkzeug, wenn auch ein sehr leistungsstarkes. Der eigentliche Mehrwert liegt in einer ganzheitlichen Beratung, die sich auf präzise Daten und deren Analyse stützen kann. Welche Unterstützung können die Verantwortlichen in den Gemeinden von Ihnen als Beratungsteam erwarten?

Wir übernehmen für unsere Kunden, also die Tiefbauverantwortlichen in den Städten und Gemeinden die Zustandserfassung und erledigen diese unter dem Label «Stratus Infra» als Dienstleistung an. Damit rennen wir bei den meisten Kunden offene Türen ein. Das Stratus-Team steht aber nicht nur den kommunalen Entscheidungsträgern oder den Verantwortlichen in den Tiefbauämtern als Partner zur Seite, sondern auch den von ihnen beauftragten externen Fachleuten. Wir bieten Unterstützung bei der Identifikation, Projektierung und Koordination von Infrastrukturmassnahmen in der Gemeinde. Stratus integriert alle Gewerke nahtlos und liefert fortschrittliche digitale Visualisierungen. Dadurch werden künftige Investitions- und Koordinationsbedarfe sehr früh sichtbar. So befähigen wir Gemeinden und ihre Vertreter, die notwendigen Eingriffe in die Infrastruktur effizient zu planen, finanzielle Ressourcen bestmöglich einzusetzen und im politischen Prozess den Dialog mit dem Souverän zielgerichtet zu führen.

 

Eine zuverlässige Abschätzung der erforderlichen Investitionen ist für die öffentliche Meinungsbildung und Akzeptanz elementar. Dafür braucht es einen Plan. Wie entsteht so ein Investitionsplan und was beinhaltet er?

Stratus weist den jährlichen Finanzbedarf für den Unterhalt der gesamten Infrastruktur aus - und zwar nicht nur für das kommende Jahr, sondern zu jedem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft. So können Infrastrukturfachleute jederzeit Auskunft über den heutigen und künftigen Finanzbedarf geben und realistisch budgetieren. Anschauliche Diagramme zeigen auf den ersten Blick, ob der Wert des Portfolios über die Jahre erhalten bleibt. Sollen Instandsetzungsarbeiten zum Beispiel aus Kostengründen verschoben werden, simuliert das Programm mögliche Folgeschäden und anfallende Mehrkosten. Damit wird der Erfolg einer nachhaltigen Unterhaltsstrategie sichtbar und vermittelbar. Zusätzlich können wir auch Ausbau-, Erweiterungs- und Neubauprojekte in Stratus erfassen und bereits in der Planungsphase in den künftigen jährlichen Finanzbedarf für Infrastrukturen einbeziehen. Wir liefern die Antworten auf die folgenden Fragen, welche Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten sind in Zukunft nötig? Mit welchen Kosten ist zu rechnen? Das gibt den verantwortlichen Gemeindevertretern die Möglichkeit, Massnahmen über Jahre zu planen und sinnvoll zu bündeln.

 

Können Sie ein praktisches Beispiel geben, wie durch Ihre Empfehlungen strategische Investitionsprojekte angestossen wurden, die zu Synergien und einer Kostenreduktion bei der Instandhaltung von Infrastrukturen beigetragen haben?

Die Stadt Wetzikon im Zürcher Oberland ist ein gutes Beispiel. Die letzte Zustandserhebung der Infrastrukturen der Gemeinde lag rund zehn Jahre zurück und musste aktualisiert werden. Ein zusätzlicher Impuls kam von aussen. Die Bevölkerung hat im Sommer 2023 für die Erschliessung der Fernwärme gestimmt. In der Folge werden nun in gut 30 von insgesamt 60 Kilometern öffentlicher Strassen bis 2031 Fernwärmeleitungen verlegt werden. Gleichzeitig muss das existierende Strassennetz instandgehalten werden, das heisst es stehen die periodischen Baumassnahmen an. Nun suchten die Verantwortlichen nach Möglichkeiten, beide Aufgaben effizient zu koordinieren. Im Sommer 2023 haben wir für die Stadt deshalb eine Zustandserhebung gemacht und einen Investitionsplan aufgestellt, der rund 100 Einzelmassnahmen in den nächsten zehn Jahren vorsieht. Die Stadt weiss heute ziemlich genau, welche Massnahmen wann auf sie zukommen. Mit diesem Investitionsplan können die Verantwortlichen im Tiefbauamt jetzt strategisch planen und die periodischen Einzelmassnahmen mit den Massnahmen aufgrund des Fernwärmeausbaus abstimmen. Unnötige Baustellen werden vermieden und Kosten gespart.

 

Wie oft sollte eine Zustandserfassung erfolgen?

Grundsätzliche sollten Zustandserhebungen regelmässig durchgeführt werden. Alle acht bis zehn Jahre ist eine vollständige Neuerhebung dringend empfohlen und alle zwei bis drei Jahre sollte nachgeführt werden. Je nach Nutzung der Infrastruktur beschleunigt oder verlangsamt sich der Alterungsprozess. Die Stratus-Methodik ist so ausgelegt, dass eine Instandsetzungsmassnahme dann empfohlen wird, wenn das Verhältnis von Kosten und gewonnener Nutzungsdauer optimal ist, man also viel für sein Geld bekommt.

 

Was steht zu befürchten, wenn an sich notwendige Erhaltungsmassnahmen unterlassen werden?

Wenn empfohlene Instandsetzungsmassnahmen aufgeschoben werden und sich dadurch der der Zustand des betroffenen Objektes verschlechtert, muss die Gemeinde langfristig mit wesentlich höheren Kosten rechnen. Dabei spielen auch Risikofaktoren wir Rohrbrüche, Hochwasser und dergleichen eine entscheidende Rolle. Das kann die Gemeindefinanzen schnell überfordern. Stratus summiert den jährlichen Finanzbedarf für den gesamten Objektbestand. Die Auswertung zeigt die Belastungsspitzen, aber auch, welches durchschnittliche Jahresbudget erforderlich ist, um die Infrastruktur in Schuss zu halten.

 

In der föderalistischen Schweiz ist die kommunale Infrastruktur sehr unterschiedlich organisiert. Welchen Einfluss hat diese Ausgangslage bei der Verwaltung der öffentlichen Infrastrukturen, zum Beispiel in einer mittelgrossen Gemeinde?

Im Allgemeinen herrscht in einer Gemeinde eine eher komplexe Lage hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die unterschiedlichen Gewerke, so dass meist eine ganzheitliche Sicht auf die Infrastruktur fehlt. Der Koordinationsbedarf zwischen den Beteiligten ist sehr hoch. Einen Portfolioansatz, wie wir ihn aus dem Immobilienmanagement schon länger kennen, gibt es nur selten. Das ist schade, denn durch eine übergeordnete Sicht auf den gesamten Bestand an Infrastrukturen lassen sich langfristige Erhaltungs- und Ausbauziele viel kostengünstiger verfolgen.  

 

Öffentliches Infrastrukturmanagement ist also vielschichtig. Dies ist mitunter ein Grund, warum vielfach externe Berater hinzugezogen werden. Kommen diese angesichts des komplexen Zusammenspiels der unterschiedlichen Gewerke als Externe nicht auch schnell an ihre Grenzen?

Oft werden die Instandhaltungs- und Instandsetzungsaufgaben an verschiedene externe Firmen und Spezialisten ausgelagert, die alle für sich hervorragende Expertinnen und Experten sind. Mangelt es zwischen diesen an Abstimmung und steht das Einzelprojekt zu stark im Fokus, kann dies Probleme nach sich ziehen, etwa wenn eine gerade erst sanierte Strasse für eine Fernwärme- oder Glasfaserleitung früher als nötig erneut aufgerissen werden muss. Mit den richtigen Informationen zur richtigen Zeit lassen sich solche unnötigen Eingriffe und die damit verbundenen Nachteile für die Gemeinden vermeiden. Die Stadt Wetzikon hat das sehr gut gemacht.

 

Sind bei solch komplizierten Eigentumsstrukturen und Abhängigkeiten überhaupt gute Entscheidungen möglich oder gebären solch komplexe Ausgangslagen nicht zwangsläufig suboptimale Kompromisse?

Gute Entscheidungen sind immer möglich. Wie gesagt, es kommt dabei auf die Grundlagen an. Welche Informationen liegen vor, wie gut und wie aktuell sind diese. Je vollständiger und aktueller die Daten, desto besser die getroffenen Entscheidungen. Und desto besser im Übrigen auch die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, deren Akzeptanz ja elementar wichtig ist. «Stratus», bekanntlich unsere eigene Softwarelösung, liefert diese Informationen und kann dadurch nicht nur ein nahezu vollständiges Bild des Zustands und der Zustandsveränderungen im Zeitverlauf simulieren. Auch andere Faktoren wie Material, Durchmesser, Belagsart usw. können zur Verfügung gestellt werden. Das machen wir mit Visualisierungen des Leitungs- und Strassennetzes, auf denen sofort sichtbar wird, wo in den kommenden zehn oder mehr Jahren gehandelt werden muss. Das ist eine gute Basis für eine langfristig solide Finanzplanung.

 

Wie gelingt es Ihnen, die Interessen aller beteiligten Fachleute, also die der externen Berater ebenso wie die der politischen Gremien «abzuholen»?

Alle, die in einer Gemeinde an der Erhaltung der Infrastruktur arbeiten, haben das gleiche Ziel. Die bestmögliche Infrastruktur bereitzustellen, in hoher Qualität und bei Kosten, die tragbar sind und die Gemeindefinanzen nicht überfordern. Dafür müssen sie sich regelmässig abstimmen und brauchen einen umfassenden Überblick über alle Strassen, Werkleitungen und Kunstbauten. Indem Stratus alle Bauwerke mit derselben Methodik erfassen, bewerten und visualisieren kann, liefern wir diese Gesamtsicht. Das ist für alle Beteiligten von erheblichem Vorteil.

 

Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit für die kommunale Infrastruktur?

Nachhaltigkeit ist mehr als Umweltschutz. Im Falle einer Gemeinde bedeutet Nachhaltigkeit, dass sie Strategien entwickelt, mit denen sie die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation erfüllen kann, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken. Dies umfasst drei Hauptdimensionen, diese sind Ökologie, Wirtschaft und Soziales. Beispiele für die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Infrastruktur wären der Einsatz von Recycling-Baustoffen, die Nutzung erneuerbarer Energien oder von Fernwärme zur Energieversorgung, die Reduzierung von Emissionen sowie, mit Blick auf die notwenige Anpassung an den Klimawandel, die Förderung von Grünflächen. Auch die nachhaltige Logistik von Bauprojekten wird immer wichtiger. Nicht zuletzt ist die nachhaltige Weiterentwicklung von Mobilität und Verkehr ein zentrales Arbeitsfeld der Infrastruktur. Alle diese Handlungsfelder zusammen sichern ein lebenswertes Umfeld in der Zukunft. Das haben viele Gemeinden erkannt, wie die immer öfter anzutreffenden Leitbilder zeigen. Indem wir die Gemeindevertreter befähigen, die bestmöglichen Entscheidungen in Bezug auf den Erhalt und den Ausbau der Infrastrukturen zu treffen, unterstützen wir sie, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

 

Wie schätzen Sie die Zukunft des Erhaltungs- bzw. Infrastrukturmanagements ein und welche Empfehlungen möchten Sie den kommunalen Entscheidungsträgern geben?

Die Erhaltung und der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur war immer schon anspruchsvoll und wird künftig nicht weniger anspruchsvoll sein. Im Gegenteil. Die Herausforderungen, die den Kommunen durch den Klimawandel gestellt werden, erzeugen Handlungsbedarf. Dazu kommt der demographische Wandel. Eine alternde Bevölkerung hat andere Bedürfnisse, sei es mehr und bessere Sitzgelegenheiten, verkehrsberuhigte Strassen und Plätze oder schattenspendende Baumalleen. Die Gemeinden müssen sich umbauen, um auch bei höheren Durchschnittstemperaturen lebenswert zu bleiben. Das alles kostet Geld. Durch eine vorausschauende Planung kann jede Gemeinde viel davon einsparen.

 


 

Loris Detti ist Leiter Infrastruktur Stratus bei Basler & Hofmann begleitet Fachpersonen und politische Entscheidungsinstanzen beim kommunalen Infrastrukturmanagement.

 

«Stratus Infra» ist strategisches Planungswerkzeug, mit dem sämtliche Massnahmen an der öffentlichen Infrastruktur vorausschauend geplant werden können. Die von Basler & Hofmann entwickelte Software liefert fundierte Entscheidungsgrundlagen für das Erhaltungsmanagement, die Investitions- und die Finanzplanung. Sie deckt die Anwendungsbereiche Strasse, Abwasser, Wasser, Gas, Fernwärme und Kunstbauten ab. Jetzt kostenlos Live-Demo vereinbaren!

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