Die «Böse-Buben-Strategie» / Ein Plädoyer für das Bauen im Bestand von Friederike Pfromm

Die nachhaltige Entwicklung ist für die Schweiz ein Staatsziel mit Verfassungsrang. Wenn die Schweizer Immobilienwirtschaft, als einer der grössten Emittenten von Treibhausgasemissionen, ihre Verpflichtungen erfüllen will, braucht es wirksame Massnahmen. Investitionen auf die Projekte mit dem grössten klimarelevanten Effekt zu konzentrieren, ist ein erster grosser Schritt. Hier ist ein Umdenken erforderlich. Anstelle des oft bevorzugten Ersatzneubaus muss die Ertüchtigung des Bestandes in den Vordergrund rücken.

 

Wenn die Schweiz ihre Verpflichtungen im Rahmen des 2022 revidierten CO2-Gesetzes erreichen will, dann darf sich die Bau- und Immobilienwirtschaft in besonderer Weise angesprochen fühlen. Der Schweizer Gebäudepark verursacht einen Drittel der inländischen CO2-Emissionen. Dazu kommen nochmals 10% für die Erstellung von Gebäuden. In summa fallen also rund 40 Prozent unserer Emissionen auf das Bauen und Unterhalten von Immobilien. Das ist ein gewichtiger Anteil am Fussabdruck.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz werden bereits bei vielen Playern der Branche energisch und innovativ vorangetrieben. Das ist auch richtig so, denn als einer der Hauptemittenten von Treibhausgasemissionen muss der Bau- und Immobiliensektor seine Verantwortung wahrnehmen. Auch in den Fachmedien, an Konferenzen und in Architekturwettbewerben ist die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken.

 

Noch dominiert der Ersatzneubau die Innenentwicklung

Grosse ökologische Effekte werden der Verdichtung im Siedlungsgebiet zugeschrieben. Sie hat sich zu einem allgemeinen städtebaulichen Credo entwickelt, weil sie den Landschaftsraum schont, die Transportwege reduziert und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel unterstützt. Als Mittel der Wahl für die Innenentwicklung setzte sich dabei bis anhin der Ersatzneubau durch.

Die verständliche Begeisterung für nachhaltige Neubauprojekte mit hohem Innovationsgrad, wie beispielsweise der «Hortus» in Allschwil, verstellt aber den notwendigen Blick auf den Bestand. So verständlich die Begeisterung für nachhaltige Vorzeigeprojekte ist, dürfen wir uns davon nicht beeindrucken lassen. In der Portfoliobetrachtung, das heisst in der Gesamtschau aller vorhandenen und aktiv bewirtschafteten Liegenschaften, bleibt die Betriebsenergie auf absehbare Zeit relevanter als die Erstellungsenergie und ist damit wichtigere Stellschraube. Zwar kommt neuerdings Bewegung in die Diskussion. Trotzdem werden Neubauten weiterhin bevorzugt. Dabei spielen sicher mehrere Rahmenbedingungen eine Rolle, wie etwa die hohen Planungsstandards, denen mit einem Neubau leichter entsprochen werden kann.

 

Immer noch eine Million ungedämmte Häuser in der Schweiz

Aufgrund der im Gegensatz zu Neubauten eben noch nicht gelösten Betriebsenergie bietet der bestehende Gebäudepark, immerhin 2.75 Millionen Gebäude mit einem Erstellungswert von 2.8 Billionen CHF, einen wesentlich mächtigeren Hebel auf dem Weg zu Klimaneutralität. Man stelle sich vor, über eine Million Häuser sind hierzulande nicht oder kaum gedämmt.

In jedem grösseren Immobilienportfolio gibt es Gebäude, die neu sind und wenig bis keine Betriebsenergie verbrauchen und solche, die älter sind. Ob alt oder neu, jede Eigentümervertreterin oder jeder Verwalter eines solchen Portfolios wird wissen, wie diese Gebäude energetisch performen. Aber was fängt sie mit diesem Wissen an? Wie setzt sie es ein, um ihrer Verantwortung für die Klimawende in der Schweiz gerecht zu werden?

Herkömmlicherweise gibt der Sanierungszyklus den Takt für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmassnahmen vor. Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und der Gesetzeslage, reicht dies in Zukunft nicht aus.

 

Bei den «Bösen Buben» ansetzen

Künftig muss die Höhe der Treibhausgasemissionen die prioritäre Rolle bei der Allokation von Investitionen spielen. Das heisst, Sanierungsobjekte sind in zwei Dimensionen zu evaluieren, das sind der aktuelle bauliche Zustand und die Treibhausgasemissionen. Gebäude, die in beiden Dimensionen schlechte Werte aufweisen, nenne ich die «bösen Buben». Bei ihnen muss ein verantwortungsvolles und zukunftsfähiges Instandsetzungs- und Instandhaltungsmanagement ansetzen.

Nachhaltigkeit ist eine Investition. Bei Investitionen stellt sich die Frage nach Wirtschaftlichkeit und nach Effizienz. Indem verantwortungsvolle Eigentümer von grösseren Immobilienportfolios die Synergieeffekte zwischen baulichem Zustand und energetischem Zustand in den Blick nehmen, können Sie die «bösen Buben» identifizieren und entschärfen. Mit Blick auf die schweizerischen Klimaziele erreichen sie das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis oder anders gesagt: den grössten emissionsrelevanten Effekt für den Franken.

 


 

Friederike Pfromm ist bei Basler & Hofmann als Leitende Expertin im Fachbereich Bauentwicklung tätig. Als ehemalige Leiterin der Abteilung Projektmanagement im Hochbauamt der Stadt St. Gallen und als ehemalige Stadtbaumeisterin von Luzern ist sie mit den baulichen Fragestellungen der öffentlichen Hand bestens vertraut. Friederike Pfromm ist seit 2014 Präsidentin des Vereins ecobau und hat das Netzwerk Smart City Lab St. Gallen mitgegründet.

 

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